Derix Glasstudios stellen neue Arbeiten in Kollaboration mit Graffiti-Künstlern vor

Was haben Graffiti und Glaskunst gemein? Lange Zeit wurden Graffiti und Glaskunst kaum mit den Bildenden Künsten assoziiert, sondern durch ihren starken Architekturbezug als Kunstform im öffentlichen Raum verortet. Seit einigen Jahren erleben beide Kunstformen jedoch unabhängig voneinander einen Aufschwung.

Ein Künstler malt bei Sonnenschein ein farbenfrohes Wandgemälde mit geometrischen Mustern.
Einblick in Arbeit eines Glaskünstlers während Zuschnitt von Glas

Im Oktober 2020 erzielte eine Arbeit von Banksy, dem wohl bekanntesten Graffti-Künstler weltweit, im Auktionshaus Sotheby’s einen Preis von mehr als acht Millionen Euro.[1] Seine Werke werden in Fachmagazinen besprochen, für hohe Summen verkauft, und in Museen, wie etwa der Staatsgalerie Stuttgart, ausgestellt. Neben Banksy haben auch andere Graffiti-Künstler in den vergangenen Jahren massiv an Bekanntheit gewonnen. Ein Beispiel ist Sheperd Fairey, dessen Portrait von Barack Obama 2008 zum inoffiziellen Symbol der Präsidentschaftskampagne und damit weltbekannt wurde. Der Erfolg dieser einzelnen Künstler hat deutlich zur Popularität (und Kommerzialisierung) von Graffiti als Kunstform beigetragen, aber auch andere Entwicklungen sind in diesem Zuge zu nennen. In den Vereinigten Staaten beispielsweise hat die flächendeckende Etablierung von Kunst am Bau Programmen zu einem Aufschwung von Urban Art und der Popularisierung legaler Graffitikunst, sogenannten Murals, beigetragen. Im Rahmen staatlich geförderter Maßnahmen werden solch große Wandgemälde dort u.A. im Zuge von Stadtentwicklungskampagnen beauftragt. Weltweit befördert auch kommerzielles Interesse die Sichtbarkeit von Graffiti-Kunst im öffentlichen Raum: Großkonzerne wie Nike kollaborieren mit Graffiti-Künstlern zu Werbezwecken[2] und private Investoren beauftragen Murals für Geschäftsgebäude (Facebook) oder Fassaden. Tatsächlich sind die Arbeiten bekannter Graffiti-Künstler, wie etwa die Arbeit von Eduardo Kobra im New Yorker Stadtteil Williambsurg, in den vergangenen Jahren zu beliebten Tourismuszielen avanciert und ihre Abbildungen werden tausendfach im Netz und in den sozialen Netzwerken geteilt.

Unsere Kollegin Anna Rothfuss vor dem Mural „Fight for Street Art“ von Eduardo Kobra in Williamsburg. 

Die Entwicklung der modernen Glasmalerei weist – wenngleich in anderen Dimensionen – einige Parallelen auf: In den letzten zwei Jahrzehnten haben die Glasarbeiten weltbekannter Maler der Glasmalerei „eine Renaissance“ beschert, wie das renommierte ART-Magazin in seiner Dezemberausgabe 2020 titelte. Das sogenannte „Richter-Fenster“ im Südquerhaus des Kölner Doms ist das wohl prominenteste Beispiel: Noch vor dem Einbau im August 2007 wurde das Fenster nach dem Entwurf von Gerhard Richter kontrovers diskutiert. Deutschlandweit ging die Aussage des 2017 verstorbenen Kardinals Joachim Meisner durch die Presse, das Fenster passe „eher in eine Moschee oder ein anderes Gebetshaus“[3] Die Künstler hat diese (theologische) Diskussion nicht abgeschreckt. Nach Gerhard Richter setzen sich auch andere prominente Maler mit dem Medium Glas auseinander: Neo Rauch (Naumburger Dom Dezember 2007), Sigmar Polke (Grossmünster Zürich, 2009), Imi Knöbel (Kathedrale zu Reims, 2015), und gleich wiederholt Markus Lüpertz (u.a. St. Andreas, Köln 2007–2021). Sie alle reizt die Aufgabe „schönste, ewige Kunstwerke“ zu erschaffen, wie Markus Lüpertz in einem Vortrag im Jahre 2016 sagte.[4] Dem traditionsreichen Handwerk hat das Aufsehen um diese sogenannten „Künstlerfenster“ eine sonst kaum zu erreichende breite gesellschaftliche Rezeption beschert. Im Zuge dessen wuchs auch das Interesse von Kunstschaffenden und Publikum, an Möglichkeiten, die Glaskunst aus dem Bereich des Sakralen in die bildenden Künste oder den öffentlichen Raum zu überführen. Jüngst schuf etwa der bekannte Leipziger Maler David Schnell ein permanentes Glaskunstwerk für die Kunstsammlung Chemnitz. Die Amerikanische Künstlerin Wu Tsang zeigte in Ihrer Soloausstellung im Berliner Gropius Bau und den Galaries Lafayette ein überdimensionales Kunstobjekt aus Glas.

Dreiteilige Glaskunstinstallation in einem Raum mit Textmustern und blauen Scheiben, ausgestellt zwischen zwei Fenstern.

„There is no nonviolent way to look at somebody“ Glasinstallation der Künstlerin Wu Tsang im Gropius Bau Berlin, Januar 2020

So haben Graffiti und Glaskunst in den vergangenen Jahrzehnten ähnliche Entwicklungstendenzen erlebt. Beide eint jedoch mehr als nur das wachsende öffentliche Interesse oder die zunehmende Rezeption als „respektable Kunstform“. Sie verbindet der Hang zum Monumentalen und die enge Beziehung mit der Architektur. Vielmehr als bei andere Kunstformen steht die Wechselwirkung von Kunstwerk und Raum im Vordergrund, die Möglichkeit, in den Raum hineinzuwirken und dessen Atmosphäre nachhaltig zu beeinflussen. Sowohl Graffiti wie auch Glaskunst sind Kunstformen, die gerade durch ihre Architekturgebundenheit die Möglichkeit haben, im öffentlichen Raum verortet und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden und Berührungsängste abzubauen.

In unserer neuen Serie Urban Art X Derix möchten wir Besonderheiten und Gemeinsamkeiten der beiden Kunstformen untersuchen und das Potential von Kollaborationen erforschen. Unser Ziel ist es, zeitgenössische Glasmalerei für neue Anwendungen zu öffnen und eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Freuen Sie sich darauf, in den nächsten Monaten neue Künstler kennenzulernen und Glasmalerei von einer neuen Seite zu entdecken.

[1] https://www.rnd.de/kultur/banksy-gemalde-show-me-the-monet-fur-uber-8-millionen-euro-versteigert-YC5CVSVW3H4OSLETYGONPXE6AY.html (01.02.2021)

[2] Der französische Graffiti-Artist Drops, beispielsweise gestaltete eine Kampagne für den Release des Nike Air Max 30, http://drops.fr/en/2011/03/28/illustration-airmax90.html (01.02.2021)

[3] https://www.katholisch.de/artikel/14454-als-kardinal-meisner-einen-wutausbruch-bekam (01.02.2021)

[4] Markus Lüpertz, Festrede zu Ehren des 150. Jubiläum der Derix Glasstudios, gehalten am 24. September 2016 in Taunusstein.