24qm großes Glaskunstwerk der renommierten Malerin Ursula Jüngst ist eingebaut
Im Mai 2020 war es endlich so weit: Nach gut zwei Jahren der Planung, der gemeinsamen Beratung, des Ausprobierens und Bemusterns, nach Monaten der Umsetzung in denen die Künstlerin Ursula Jüngst gemeinsam mit den beiden Glasmalern Rahmi Schulz und Daniela Köhler die 60 Glaspanels bearbeitete, wurde das Kunstwerk in der Taufkapelle der Nürnberger Allerheiligen Kirche eingebaut.
Die zwölf je vier Meter hohen Fenster bringen die Kapelle zum Leuchten und entfalten im Zusammenspiel mit Licht ihre einzigartige dreidimensionale Wirkung. So eröffnet sich das lebensbejahende Kunstwerk dem Betrachter in immer neuen Facetten und lädt ein, gemeinsam das Leben zu feiern – ganz im Sinne der Künstlerin, die Ihre Arbeit „La Fiesta de la Vida“ taufte.
Zur Entstehungsgeschichte des Kunstwerks
Im Jahr 2017 gewann die renommierte Malerin Ursula Jüngst den Wettbewerb für die Neugestaltung der Taufkapelle der Pfarrkirche „Allerheiligen“ in Nürnberg. Die Arbeitsweise der Künstlerin, die seit über 30 Jahren abstrakt malt und nun zum erste Mal ihre dynamischen Arbeiten in Glas umsetzt, ist Außergewöhnlich und beeindruckend.
Das charakteristisches Merkmal ihrer Malerei sind die in Länge und Breite sich ähnelnden Pinselstriche, die durch ihre Wiederholung und ihren Rhythmus eine formale Bedeutung bekommen. Der Pinselduktus bekommt den Stellenwert eines Bausteins mit dem die Künstlerin ihre Gemälde komponiert. Die einzelnen Farbsetzungen, die Gefühle und Erfahrungen transportieren, sind frei von räumlicher und zeitlicher Verortung. Es sind mannigfaltige Farbformkörper, die frei im Raum zu schweben scheinen.
Um ihr markantes Kennzeichen und den hohen künstlerischen Anspruch ihrer Malerei in Glas erlebbar zu machen, entschied sich Ursula Jüngst, die Grundlage für die Fenster, nicht wie üblich als Karton im Maßstab 1:10, sondern in Originalgröße von 24 qm in pastoser, fein differenzierter Ölmalerei auf Leinwand auszuführen.
Nachdem im Mai 2018 der Auftrag zur Sanierung und Umsetzung der Kunstglasfenster an die Derix Glasstudios vergeben wurde, erarbeitete Frau Jüngst in den Werkstätten in Taunusstein in Zusammenarbeit mit Geschäftsleiter Frederik Richter, Malereileiter Rahmi Schulz und Glasmalerin Daniela Köhler eine neue Ausdrucksform in der Glasmalerei:
Für die Fenster wurden 120, zur Hälfte opale, mundgeblasene Gläser der Glashütte Lamberts in gelben und blauen Tönen vielschichtig geätzt. Hierbei arbeiten die Glasmaler „negativ“ und tragen Farbe, den sogenannten Überfang, ab. So bleibt die Fläche des Strichs erhaben – gleich dem pastosen Strich auf der Leinwand. Tatsächlich kann man den Strich mit den Fingern fühlen. Auch das Licht bricht sich an den feinen Erhebungen immer wieder neu und bereichert die Malerei. In nächsten Schritten werden weitere Farbnuancen wie helles Blau, zartes Rosa, frisches oder glühendes Rot, Lila und Grün mit Glasschmelzfarben sowohl auf den transparenten blauen, als auch auf den opalen gelben Gläsern mit Pinseln und Fingern aufgetragen und eingebrannt. Die Künstlerin hat den Prozess der Gestaltung aktiv begleitet und die einzelnen Farbakzente bis ins Kleinste formuliert.
Abschließend werden die transparenten blauen und opalen gelben Glasscheiben mit Abstand hintereinander montiert. Synergetisch mit der intensiven Malerei, offenbart sich dem Betrachter so eine völlig neue Tiefenwirkung der schwebenden Farbformkörper. Ein Kosmos der Begegnungen. Je nach Standpunkt und Perspektive entdeckt der Betrachter Dank der Durchsicht des Glases Überschneidungen, Berührungen und Farbvermischungen. Die zahlreichen Striche in reichen gelben und blauen Nuancen tanzen, werden leicht in zarten rosa und grünen Tönen, verschenken Tiefe mit pulsierendem Rot und nachdenklichem Lila. Die Pinselsetzungen ordnen sich in wechselnder Richtung und Dichte des Farbauftrags zu einem fließenden Miteinander. Die Komplexität der Wechselbeziehungen der unzähligen Pinselsetzungen veranschaulicht in besonderer Weise die Durchdringung des Transzendenten mit dem Irdischen, von Licht mit Wasser, einen Tanz der Freude, eine Feier des Lebens.
Der Rundbau der Taufkapelle, die von Winfried und Peter Leonhardt 1955 erbaut wurde, steigert die dreidimensionale Wirkung des Kunstwerks weiter. Das durchscheinende Licht spielt mit der intensiven Malerei und zaubert immer wieder Neues hervor. Die wie frei im Raum tanzenden Pinselsetzungen von Ursula Jüngst werden zu einer Allegorie für unser Leben und dessen Perspektiven. Der Betrachter taucht ein in eine lebensbejahende Welt.